Projekt SPRECHEN
Ludwig Schwinger
Verständlich Sprechen
Ein multisensorisches Methoden-Inventar
Teilhabe braucht Sprache
Gleichberechtigte Teilhabe an Bildung und am Arbeitsleben, soziale Teilhabe an der Gemeinschaft braucht Kommunikationsfähigkeit, braucht Sprache.
Ob wir sprechen, schreiben, gebärden, lormen, Brailleschrift oder Techniken der Unterstützten Kommunikation (UK) nutzen – unser Gegenüber muss die Sprachzeichen, die wir zur Verständigung einsetzen, kennen und erkennen können.
Gesprochene Sprache braucht verständliches Sprechen
Sich einmischen, mitsprechen können setzt in Schule, Beruf und in vielen anderen gesellschaftlichen Bereichen gesprochene Sprache voraus.
Das Buchprojekt von Professor Dr. Ludwig Schwinger „Verständlich Sprechen –
Ein multi-sensorisches Methoden-Inventar“ setzt genau hier an:
„Der Titel „Verständlich Sprechen“ wendet sich an die Personen, die entweder gerne selbst fehlerfrei sprechen wollen, oder an Therapeuten und Therapeutinnen, die für ihre berufliche Tätigkeit einen systematischen Aufbau phonetisch orientierter Methoden suchen“
(Schwinger 2018 b, Band 2, 10).
Professor Dr. Schwinger bündelte in dem vorgelegten Werk „Verständlich Sprechen“ in zwei Bänden sein Wissen aus über 25 Jahren Lehrtätigkeit in der Lehrerbildung im Bereich Angewandter Phonetik. Dabei gelang ihm ein systematisch aufgebautes handliches „Methodeninventar zur Korrektur von Sprechfehlern“ (Schwinger 2018, 12).
Band 1: Einzel-Phoneme konzentriert sich auf die Lautbildung einzelner Sprachlaute und zeigt eine Vielfalt an methodischen Hilfen, die gezielt eingesetzt Lautbildungskriterien verdeutlichen können.
Band 2: Koartikulation nimmt auf 400 Seiten die Verflechtung und Übergänge von Lautkombinationen in den Blick und zeigt auch hier vielfältige methodische Wege der Erarbeitung auf.
Hervorzuheben ist, dass der Autor sein Methoden-Inventar auf evidenzbasierte Methoden der „Systemergänzten Artikulation“ (vgl. Schulte 1979; Schulte/ Schwinger et al. 1980) stützt. Diese Methoden wurden in mehreren Forschungsprojekten der Forschungsstelle für Angewandte Sprachwissenschaft zur Rehabilitation Behinderter (FST), unter Leitung von Prof. Dr. Klaus Schulte (Heidelberg) entwickelt sowie experimentell und schulpraktisch erprobt und evaluiert:
Phonembestimmtes Manualsystem (PMS) (PH Heidelberg 1966-1970; DFG 1971-1973; BMAS 1979-1980)Akusto-vibratorische Kommunikationshilfen Mono- und Poly-Fonator(BMGS 1965-1968)Entwicklung und Erprobung einer Kommunikationshilfe Mini-Fonator(BMAS 1978-1984)Optische Phonemdarstellung als Sprechgliederungshilfe für hörgeschädigte Kinder (BMGS 1966-1969)
Diese „artikulationsstützenden Systeme“ (Schulte, Schwinger et al. 1980) nutzen neben dem Hören, das Sehen und Fühlen sowie die enge Verbindung zwischen Handmotorik und Sprechmotorik. Die Informations-Leistungen der verschiedenen Sinnesbereiche ergänzen sich.
Der multisensorische Ansatz der Systemergänzten Artikulation (vgl. Schulte/ Schwinger/Strauß/Schlenker/Breitinger/Hug/Würtemberger (1980) hat sich in der Praxis von Schule und Therapie bewährt und wurde in den FST-Video-Sprech-Lehr-Programmen Artikulation Hörgeschädigter, Stammlertherapie, Sprechspiele und Audiovisuelle Diskrimination von Sprechfehlern dokumentiert (gefördert von Aktion Sorgenkind 1978-1983).
An dieser Stelle sei allen Akteurinnen und Akteuren für Ihre Mitarbeit gedankt!
Ludwig Schwinger (2018) gelingt es, Sprechen lehren – multisensorisch und systemergänzend – überzeugend darzustellen und zu visualisieren. Der Autor nutzt seine künstlerische Begabung und gestaltet ‚Methodenkarten‘ für die Hand der Lehrenden: Tipps zur Lautbildung auf einen Blick. Über 600 Abbildungen illustrieren, mit welchen systemergänzenden Informationen Kinder, Jugendliche und Erwachsene die deutsche Sprache verständlich sprechen lernen können.
Kurzkommentare zu den Abbildungen ermöglichen eine schnelle Orientierung zum Informationsgehalt der gezeigten Aktion.
Basis-Texte zu dem multi-sensorischen Methoden-Inventar informieren anschaulich über die Leistungsfähigkeit der Sinne und den Informationsgehalt der vorgestellten Informationssysteme.
Die methodischen Hinweise dürfen keinesfalls als Rezepte verstanden werden.
Denn entscheidend ist und bleibt die fachliche Kompetenz der Lehrperson, die situativ entscheiden kann, welche Information über welchen Sinneskanal und mit welchen Sprech-Lehr-Hilfen für die Verdeutlichung von Lautbildungskriterien im Lernprozess von Bedeutung ist.
„Im Vordergrund steht die Entwicklung einer Methoden- und Therapiekompetenz, die dazu führt, die vorhandenen und richtig gesprochenen Teilleistungen des Sprechens zu erkennen und die nicht richtig gesprochenen Kriterien durch richtig gesprochene Kriterien zu ersetzen.“ (Schwinger 2018, S.12)
Das multisensorische Methoden-Inventar ‚Verständlich Sprechen‘ ist ein Arbeitsmaterial, das durch die eigene (sprach)therapeutische Kompetenz ergänzt und weitergedacht werden will. So kann es gewinnbringend für viele verschiedene Zielgruppen eingesetzt werden kann.
Verständlich Sprechen lernen –
multisensorisch mit Systemergänzter Artikulation
Wenn…
… Deutsch nicht die (Familien-)Sprache ist und Ohren und Gehirn deshalb zusätzliche Informationen brauchen, um die Kontraste zur eigenen ganz anders klingenden (Mutter-)Sprache schneller zu verarbeiten und zu erkennen. (Deutsch als Fremd- oder Zweitsprache/Mehrsprachigkeit)
Wenn…
... Kinder eigene phonologische Regeln für ihr Sprechen entwickeln, die vom phonologischen System des Deutschen abweichen.
(Phonologische Störungen)
Wenn…
… Sprachlaute abweichend gebildet werden
(Phonetische Störungen z. B. bei Lippen-Kiefer-Gaumensegel-Spalten)
Wenn…
… die akustische Information über das Ohr trotz Hörgerät oder CI nicht problemlos aufgenommen werden kann.
(Hörschädigung)
Wenn…
... die auditive Verarbeitung der Sprachlaute Probleme bereitet – das ´Hören´ und Verstehen von gesprochener Sprache also viel Energie kosten.
(Auditive Wahrnehmungs-– und Verarbeitungsstörung)
Wenn…
… die artikulations-motorische Umsetzung einer Aussage blockiert wird.
(Verbale Entwicklungsdyspraxie)
Wenn…
… Sprechen lernen langsamer abläuft, weil das Gehirn mehr Zeit und zusätzliche Impulse braucht.
(Kognitive Einschränkungen)
Wenn…
... die Motivation zum Sprechen lernen und negative Sprechlern- Erfahrungen verständliches Sprechen erschweren.
(Soziale Benachteiligung)
Wenn…
... eine Wahrnehmungs-Einschränkung auf körperlicher Ebene zu verminderten artikulatorischen Reizen führt.
(Körperliche und sensorische Einschränkung)
…
...
Verständlich Sprechen Band 1 und Band 2 sind Arbeitsmaterialien und wollen studiert, reflektiert, eingesetzt, multipliziert und durch eigene (sprach)therapeutische Kompetenz ergänzt und weitergedacht werden!
Wir freuen uns auf Ihre Anregungen!
Christa Schlenker-Schulte und Magdalena Stampfer